16.11.2022
Nachtragshaushalt 2022 FW-Kreistagsfraktion

Anrede:

„Dringend erforderlich ist jedoch, dass der für die Finanzierung des Betriebs zuständige Gemeinsame Bundesausschuss die realitätsfremde und für das sogenannte „Flache Land“ feindliche Lobby-Politik für
Großkliniken  und  Großkonzerne  endlich  aufgibt  und  diese  durch praxisnahe Regelungen den lokalen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger und damit den Verhältnissen im realen Leben anpasst.“

Dieser  Satz  -  stammend  bereits  aus  der  Haushaltsrede  der  FW- Fraktion  vom März 2022 -  beschreibt  genau das  bundesrechtliche Korsett, in das unsere Kliniken eingezwängt werden. Was angesichts der  sehr  hohen  Krankenhausdichte  in  großen  Teilen  West-  und Mitteldeutschlands  nachvollziehbar  erscheinen  mag  –  nämlich Reduzierung der Bettenzahl - , ist im Flächenstaat Bayern in keinster Weise mit einer wohnortnahen Patientenversorgung und damit mit dem gesetzlichen Versorgungsauftrag der Landkreise zu vereinbaren.

Aufgrund dieser bundespolitischen Rahmenbedingungen wissen wir, dass unsere Kreiskliniken ihren Versorgungsauftrag seit Jahren nur unter  Inkaufnahme  von  Verlusten  erfüllen  können,  die  vom Alleingesellschafter  Landkreis  aufzufangen  sind.  Weiter  verschärft wird  die  Situation  durch  explosionsartig  angestiegene  Kosten  für Energie,  Material  und  die  extrem  hohe  Inflation.  Hoffnung,  dass zumindest dieser Bereich vom Bund abgefedert wird, besteht durch das von Bundesgesundheitsminister Lauterbach angekündigte 8 Mrd. Paket.


Bedingt sicherlich durch Corona, aber erkennbar auch durch andere zum  Teil  strukturelle  Ursachen,  wie  z.  B.  kostenintensive Doppelvorhaltungen  in  beiden  Häusern,  keinen  durchgängig  24/7 besetzten Herzkathetermessplatz wie auch eine Patientenbindung der Landkreiseinwohner von weniger als 50 % haben sich diese Verluste in den Jahren 2021 und insbesondere  2022 in eine Größenordnung entwickelt,  die   dringend  einer  Analyse  und  daraus  resultierender nachhaltiger  Rekonstruierung  mit  Hilfe  kompetenter  externer Beratung und Begleitung bedürfen.


Wie uns einer dieser externen Berater, Herr Thomas Düll, bestätigte, waren  seit  Jahren  Hinweise  auf  Liquiditätsprobleme  in  den Prüfberichten des Wirtschaftsprüfers enthalten. So sei jetzt auch im Prüfbericht  zum  31.12.2021  darauf  hingewiesen,  dass  das  Risiko unzureichender Liquiditätszuflüsse bestehe.

Auch von der Geschäftsführung  wurde in der Aufsichtsratssitzung vom  Juni  2022  darauf  hingewiesen,  dass  sich  die  Finanzsituation voraussichtlich ab September 2022  verschärfen werde.  
Dies korrespondiert auch mit dem Vortrag der Geschäftsführerin, Frau  Greschner,  in  der  öffentlichen  Krankenhausausschusssitzung  vom 27.06.2022 (Protokoll vom 27.06.2022, BZ 6,).
Zur Entwicklung im 1. Halbjahr 2022 wird ausgeführt, dass sich im Vergleich  zum  Vorjahr  eine  hohe   Erlösproblematik  zeige,  in Dillingen mit - 2.628.000 € und in Wertingen mit - 1.103.000 €  und weiterhin  hohe  Kosten  für  Honorarärzte  (  447.000  €  über  Plan) bestünden.

Ebenso  kommt  auch  hier  der  Hinweis,  dass  sich  die Liquiditätsproblematik ab dem 2. Halbjahr 2022 verstärken werde und man hier mit dem Landkreis in engem Austausch stehe, um dieser entgegen  zu  wirken.  Aufgrund  dieser  Informationen  hat  Landrat Markus  Müller  umgehend  nach  Amtsantritt  am  13.07.2022  einen aktuellen Bericht über die finanzielle Situation angefordert, in dessen Konsequenz wir u. a. heute über einen Nachtragshaushalt beraten.


Zur  Aufstellung  dieses  Nachtragshaushalts  hilft  uns  momentan sicherlich,  dass  wir  die  zur  Liquiditätssicherung  benötigten Finanzmittel  über  nicht  ausgeschöpfte  Haushaltsansätze  des
Investitionsplans 2022 bedienen können und nicht über eine weitere Kreditfinanzierung nachdenken müssen. Nur zur Klarstellung: diese Umschichtung  innerhalb  der  Haushaltsansätze  stellt  weder  eine Kürzung,  noch  eine  Streichung  dieser  drei  Maßnahmen  dar!  Wir werden  vielmehr Mittel  für  diese  in  den  Haushalten  2023  und Folgejahre wieder entsprechend einer realistischen  Zeitschiene  neu ansetzen und finanzieren müssen.

Umso dringender müssen jetzt umgehend mögliche Ressourcen und Chancen unserer Kreiskliniken genauso auf den Prüfstand, wie auch eventuell vorhandene Schwachstellen in allen Bereichen der gGmbH.


So wie der Erfolg regelmäßig viele Mütter und Väter hat, ist es üblich, bei  Misserfolgen  diese  möglichst  auf  wenige  Personen  zu konkretisieren.  So  wird  im  Fußball  regelmäßig  der  Trainer ausgewechselt. Dies dürfte angesichts der komplexen und von vielen Faktoren beeinflussten Situation im Bereich der Geschäftsführung der Krankenhäuser  schwierig  und  wenig  zielführend  sein  und  in  aller Regel nachweislich – so ebenfalls Herr Düll – ohne Effekte bleiben.

Plausibel erscheint es dagegen,  die Geschäftsführung vor Ort durch externen  Sachverstand  zu  unterstützen  und  bei  als  notwendig erkannten  Umstrukturierungen zu begleiten.


Sicher  stehen  wir  vor  immensen  Herausforderungen,  Defizite, fehlende Liquidität und Verbindlichkeiten ausgleichen zu müssen und dabei notwendige Investitionen wie u. a. Pflegeschule Wertingen und
Linksherzkatheter-Messplatz Dillingen gleichwohl zu realisieren. Und dies  sollte  alles  erfolgen,  ohne  unsere  anderen  Pflichtaufgaben  zu vernachlässigen.


Wenn  wir  jedoch  unsere  Fürsorgepflicht  gegenüber  unseren motivierten  ärztlichen,  pflegenden  und  kaufmännischen Mitarbeiterinnen  und  Mitarbeitern  Ernst  nehmen  und  zugleich  bei unseren Landkreiseinwohnern und vor allem den zuweisenden Haus- und Fachärzten Vertrauen in die Leistungsfähigkeit unserer Kliniken erhalten - nach Möglichkeit dringend verbessern - wollen, müssen wir ein schlüssiges Konzept „Dillingen und Wertingen, zwei Betriebe ein Krankenhaus“ auflegen. Und dazu haben wir diese Betriebe auch auf dem aktuellen Stand der medizinischen Technik zu halten!


Insoweit  darf  ich  an  dieser  Stelle  ein  in  Vorgesprächen  bereits benutztes  Zitat  von  Albert  Einstein  wiederholen:  „Mehr  als  die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu  leben“  und  dies,  verehrte  Kolleginnen  und  Kollegen,  nach Möglichkeit  mit  zwei  wohnortnahen,  funktionierenden  nach medizinischen  Schwerpunkten  aufgestellten   Krankenhäusern  in kommunaler  Trägerschaft  -  nicht  in  Konkurrenz,  sondern  in Ergänzung zueinander!


Dillingen, im November 2022
Bernd Nicklaser
Fraktionsvorsitzender