Aktuelles
Anrede:
„Dringend erforderlich ist jedoch, dass der für die Finanzierung des Betriebs zuständige Gemeinsame Bundesausschuss die realitätsfremde und für das sogenannte „Flache Land“ feindliche Lobby-Politik für
Großkliniken und Großkonzerne endlich aufgibt und diese durch praxisnahe Regelungen den lokalen Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger und damit den Verhältnissen im realen Leben anpasst.“
Dieser Satz - stammend bereits aus der Haushaltsrede der FW- Fraktion vom März 2022 - beschreibt genau das bundesrechtliche Korsett, in das unsere Kliniken eingezwängt werden. Was angesichts der sehr hohen Krankenhausdichte in großen Teilen West- und Mitteldeutschlands nachvollziehbar erscheinen mag – nämlich Reduzierung der Bettenzahl - , ist im Flächenstaat Bayern in keinster Weise mit einer wohnortnahen Patientenversorgung und damit mit dem gesetzlichen Versorgungsauftrag der Landkreise zu vereinbaren.
Aufgrund dieser bundespolitischen Rahmenbedingungen wissen wir, dass unsere Kreiskliniken ihren Versorgungsauftrag seit Jahren nur unter Inkaufnahme von Verlusten erfüllen können, die vom Alleingesellschafter Landkreis aufzufangen sind. Weiter verschärft wird die Situation durch explosionsartig angestiegene Kosten für Energie, Material und die extrem hohe Inflation. Hoffnung, dass zumindest dieser Bereich vom Bund abgefedert wird, besteht durch das von Bundesgesundheitsminister Lauterbach angekündigte 8 Mrd. Paket.
Bedingt sicherlich durch Corona, aber erkennbar auch durch andere zum Teil strukturelle Ursachen, wie z. B. kostenintensive Doppelvorhaltungen in beiden Häusern, keinen durchgängig 24/7 besetzten Herzkathetermessplatz wie auch eine Patientenbindung der Landkreiseinwohner von weniger als 50 % haben sich diese Verluste in den Jahren 2021 und insbesondere 2022 in eine Größenordnung entwickelt, die dringend einer Analyse und daraus resultierender nachhaltiger Rekonstruierung mit Hilfe kompetenter externer Beratung und Begleitung bedürfen.
Wie uns einer dieser externen Berater, Herr Thomas Düll, bestätigte, waren seit Jahren Hinweise auf Liquiditätsprobleme in den Prüfberichten des Wirtschaftsprüfers enthalten. So sei jetzt auch im Prüfbericht zum 31.12.2021 darauf hingewiesen, dass das Risiko unzureichender Liquiditätszuflüsse bestehe.
Auch von der Geschäftsführung wurde in der Aufsichtsratssitzung vom Juni 2022 darauf hingewiesen, dass sich die Finanzsituation voraussichtlich ab September 2022 verschärfen werde.
Dies korrespondiert auch mit dem Vortrag der Geschäftsführerin, Frau Greschner, in der öffentlichen Krankenhausausschusssitzung vom 27.06.2022 (Protokoll vom 27.06.2022, BZ 6,).
Zur Entwicklung im 1. Halbjahr 2022 wird ausgeführt, dass sich im Vergleich zum Vorjahr eine hohe Erlösproblematik zeige, in Dillingen mit - 2.628.000 € und in Wertingen mit - 1.103.000 € und weiterhin hohe Kosten für Honorarärzte ( 447.000 € über Plan) bestünden.
Ebenso kommt auch hier der Hinweis, dass sich die Liquiditätsproblematik ab dem 2. Halbjahr 2022 verstärken werde und man hier mit dem Landkreis in engem Austausch stehe, um dieser entgegen zu wirken. Aufgrund dieser Informationen hat Landrat Markus Müller umgehend nach Amtsantritt am 13.07.2022 einen aktuellen Bericht über die finanzielle Situation angefordert, in dessen Konsequenz wir u. a. heute über einen Nachtragshaushalt beraten.
Zur Aufstellung dieses Nachtragshaushalts hilft uns momentan sicherlich, dass wir die zur Liquiditätssicherung benötigten Finanzmittel über nicht ausgeschöpfte Haushaltsansätze des
Investitionsplans 2022 bedienen können und nicht über eine weitere Kreditfinanzierung nachdenken müssen. Nur zur Klarstellung: diese Umschichtung innerhalb der Haushaltsansätze stellt weder eine Kürzung, noch eine Streichung dieser drei Maßnahmen dar! Wir werden vielmehr Mittel für diese in den Haushalten 2023 und Folgejahre wieder entsprechend einer realistischen Zeitschiene neu ansetzen und finanzieren müssen.
Umso dringender müssen jetzt umgehend mögliche Ressourcen und Chancen unserer Kreiskliniken genauso auf den Prüfstand, wie auch eventuell vorhandene Schwachstellen in allen Bereichen der gGmbH.
So wie der Erfolg regelmäßig viele Mütter und Väter hat, ist es üblich, bei Misserfolgen diese möglichst auf wenige Personen zu konkretisieren. So wird im Fußball regelmäßig der Trainer ausgewechselt. Dies dürfte angesichts der komplexen und von vielen Faktoren beeinflussten Situation im Bereich der Geschäftsführung der Krankenhäuser schwierig und wenig zielführend sein und in aller Regel nachweislich – so ebenfalls Herr Düll – ohne Effekte bleiben.
Plausibel erscheint es dagegen, die Geschäftsführung vor Ort durch externen Sachverstand zu unterstützen und bei als notwendig erkannten Umstrukturierungen zu begleiten.
Sicher stehen wir vor immensen Herausforderungen, Defizite, fehlende Liquidität und Verbindlichkeiten ausgleichen zu müssen und dabei notwendige Investitionen wie u. a. Pflegeschule Wertingen und
Linksherzkatheter-Messplatz Dillingen gleichwohl zu realisieren. Und dies sollte alles erfolgen, ohne unsere anderen Pflichtaufgaben zu vernachlässigen.
Wenn wir jedoch unsere Fürsorgepflicht gegenüber unseren motivierten ärztlichen, pflegenden und kaufmännischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ernst nehmen und zugleich bei unseren Landkreiseinwohnern und vor allem den zuweisenden Haus- und Fachärzten Vertrauen in die Leistungsfähigkeit unserer Kliniken erhalten - nach Möglichkeit dringend verbessern - wollen, müssen wir ein schlüssiges Konzept „Dillingen und Wertingen, zwei Betriebe ein Krankenhaus“ auflegen. Und dazu haben wir diese Betriebe auch auf dem aktuellen Stand der medizinischen Technik zu halten!
Insoweit darf ich an dieser Stelle ein in Vorgesprächen bereits benutztes Zitat von Albert Einstein wiederholen: „Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben“ und dies, verehrte Kolleginnen und Kollegen, nach Möglichkeit mit zwei wohnortnahen, funktionierenden nach medizinischen Schwerpunkten aufgestellten Krankenhäusern in kommunaler Trägerschaft - nicht in Konkurrenz, sondern in Ergänzung zueinander!
Dillingen, im November 2022
Bernd Nicklaser
Fraktionsvorsitzender